Bumble me Baby
Ich habe nach dem Ende meiner letzten Beziehung immer wieder darüber nachgedacht, meine Fühler in Richtung Dating Plattformen auszustrecken. Um mich mal umzusehen, zu schauen, was sich da so tut. An Männern, Energien, Möglichkeiten, um neue Menschen kennenzulernen. Meine Intention dabei war sehr klar abgesteckt: Keine Beziehung, eher was Lockeres, nichts Ernstes. In der naiven Annahme, dass Beziehungen einzugehen, welcher Art auch immer, jemals etwas nicht Ernstes sein könnte. Meine soziale Situation - in einem Dorf zwischen Mama Sein und Business lebend und damit abgeschottet von Möglichkeiten Männer kennenzulernen, bestätigte mich in dem Glauben, dass die Dating Plattform Bumble vielleicht eine Form wäre, die mir in meinen Sehnsüchten dienen könnte.
Also durchlief ich das Anmeldeverfahren. Fotos hochladen, natürlich nur sexy Fotos. Fragen über meine Größe, meine Interessen, meine Hobbies und Wünsche - damit die Suche nach dem Match klar und eingegrenzt ist. Dabei wurde ich immer wieder auf mich selbst zurückgeworfen und darauf, wie ich mich hier präsentieren wollte. Durch Wort und Bild. Und bereits da fing es an, eng in mir zu werden.
Ich spürte, dass mich Bumble bereits an diesem Punkt herausforderte einen begrenzten Blick auf mich zu entwickeln - sehr reduziert darauf, wie ich nach Außen auf die Männerwelt wirkte und darauf, was ich eigentlich will. Sex, aber keine Beziehung. Wenn es doch nur so einfach wäre. Denn Sex ist Beziehung. Und ich bemerkte eine Tendenz, Sex als Konsumgut zu betrachten und mich dabei als Produkt auf den Markt der Swipes von links nach rechts zu stellen - und meine Energie für etwas in Bewegung zu bringen, was ich eigentlich so niemals gelebt habe noch jemals leben wollte.
Manchmal sind wir bereit vieles von dem zu opfern, wer wir wirklich sind, weil wir glauben, dass dadurch bestimmte Sehnsüchte in uns erfüllt werden könnten, die eigentlich nichts mit dem zu tun haben, was wir uns wirklich wünschen.
Und dann kam die Reise durch die Bumble Welt. Sie war kurz, intensiv und brachte mich nach 24h online sein zu meinen wahren Intentionen oder besser gesagt sehr klar zu dem, was ich derzeit in meinem Leben leben und nicht leben will.
Ich bekam innerhalb von ein paar Stunden hunderte von Herzchen von ganz unterschiedlichen Männern. Jungen, alten, schönen, nicht so schönen, attraktiven, nicht so attraktiven. Mein Ego war darin bestätigt, dass ich trotz meines Alters noch sehr gute Chancen in der Dating Welt hatte. Ich bemerkte selbst beim Swipen, dass ich in Bezug darauf, wie ein Mann auszusehen hatte, sehr wählerisch war. Also blieben nach gefühlt hunderten Swipes nach links nur vier Männer übrig, die mir gefielen. So halbwegs, aber nicht ganz wirklich. Weil trotz ihres ansprechenden Aussehens nach dem Lesen ihrer Texte, Interessen und Hobbys nicht mehr viel an Attraktivität übrig war. Also eigentlich gab es in dem Menü der Männer nicht wirklich jemanden, der mich ansprach. Dabei dachte ich: Was für eine Entwicklung. Früher wurden wir als Frauen verheiratet, heute sind wir soweit, dass wir uns Männer wie im Restaurant mit einem Swipe nach links oder rechts aussuchen können. Kann man das Evolution nennen? Ich weiß es nicht.
Je länger mein Profil online war, desto mehr Anfragen kamen. Ich fühlte mich schön, sexy, begehrt, ausgenutzt, befleckt, bewertet, fast schon wie eine Prostituierte, dazwischen wie ein Engel, und dann doch wieder wie ein Objekt, dass begafft und nach dem gelechzt wird. Mit dem Endziel Sex.
Das wollte ich doch, oder?
Sex. Sexy sein, Begehrt werden?
Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, aber keine echte tiefe Bindung?
Und Bumble lieferte mir genau das. Oberfläche. Ego Bestätigung. Das Gefühl von Macht über. Aber es war so leer, so schmutzig, so anstrengend.
Ich begann mit zwei von den vier Männer Matches zu chatten. Und merkte dabei gleich, dass es bereits hier, um viel mehr ging, als Sex. Ich musste in Beziehung gehen mit diesen Seelen, die alle ihre Sehnsüchte und Beziehungstraumen in sich trugen und die für mich schon von der Ferne spürbar waren. Alle wollen scheinbar das Gleiche - aber keiner weiß was er wirklich will. Das Getrieben Sein von Sehnsucht, im Glauben daran, dass es nur Sex ist, während sich dahinter die Suche nach Liebe versteckt. Selbstliebe. Respekt gegenüber sich Selbst und tiefer Frieden in sich selbst.
In dem ganzen Bumble Feld liegt so viel Leid. So viel Suche ohne Intention. So viel Ego Push, wenn man ein Herz bekommt und so viel Selbsthass, wenn man es nicht tut. Es ist ein Spielfeld auf der Suche nach Liebe doch gefangen in den eigenen Leidgeschichten, die hier niemals Erlösung finden werden. Emotionale Spielchen der Toxizität, Narzissmus und Manipulation, nur um das eigene Leid zu überspielen und die Oberfläche von “wie sehe ich aus” zu bespielen.
Doch es kann auch sehr viel Klarheit bringen. Persönliche Reife vorausgesetzt. Ich glaub ich hatte selten in meinem Leben innerhalb von 24h einen so tiefgreifenden Erkenntnisprozess in Bezug auf meine Sexualität und Weiblichkeit wie auf Bumble. All das, was ich glaubte zu wollen, verschwand. Und ich erkannte, nochmal tiefer all meine Werte, die ich in Bezug auf mich und mein Frau sein habe.
Ich brauche nicht tausende Männeraugen, um mich wertvoll und schön zu fühlen. Ich bin in einer Reife meines Seins als Frau, wo es mir reicht, ich selbst zu sein und meine Schönheit als Energie für mich zu spüren. Ohne Bestätigung von Außen.
Ich will derzeit keine Beziehung - ich habe zu wenig Ressource dafür. Oder einfacher ausgedrückt: Ich will mir die Zeit für Dating egal mit welchem Endziel und für diesen Prozess, den man dabei durchlaufen muss, nicht nehmen. Die Prioritäten in meinem Leben sind derzeit woanders. Und wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, dann war das einer der Gründe, wieso ich aus meiner letzten Beziehung rausgegangen bin.
Meine Sexualität ist heilig - sie ist kein Konsum. Und ich kein Objekt für schnelle Selbstbefriedigung. Sexualität ist immer auch Beziehung und nicht etwas, das wir einfach so nehmen können, um dann zu gehen. Natürlich wünsche ich mir jemanden, der mich manchmal in den Arm nimmt, aber das ist nicht genug, um dafür meinen Raum für jemanden zu öffnen, der einfach kommt und geht. Dafür bin ich zu sensibel auf Energie und Energieverstrickungen. Das Bewohnen meines eigenen Raums ohne Fremdenergien zu wichtig, als das ich ihn für eine Umarmung opfern würde.
Ich gehe keine Kompromisse in Bezug auf meine Männerwahl mehr ein. Es muss passen - ohne diese Hinterstimmen, die flüstern, wohin es führen wird. Wir wissen es immer. Wenn wir uns trauen genau hinzuhören und irgendwann kommt die Zeit im eigenen Leben, wo man das nicht mehr überhören kann. Auch wenn es manchmal leichter ist, es zu tun.
Bumble war ein kurzer Bienenstich. Und ich bin dankbar, dass ich es gemacht habe. Weil es mir nochmal vor Augen geführt hat, wer ich bin und wer ich nicht sein möchte. Schneller als in jeder anderen Liebesbeziehung habe ich auf die Reaktionen meines Körpers geachtet und bin dem Instinkt gefolgt. In jedem Wort, in jedem Bild, in jedem Austausch - kam ein Nein, not for me. Und irgendwann war der Impuls da, das Konto zu löschen, wissend, dass es die einzige richtige Entscheidung ist.
Und dann.
War so viel Freiheit da.
Endlich wieder zu Hause.
Nach dem kurzen Exkurs in fremde Welten.
Die niemals meine sein werden.
Ich liebe diese Klarheit, die die Reife meiner Weiblichkeit mit sich bringt.
Und das steht über jeder eingebildeten Sehnsucht, egal wonach.
Bumble hat mich zurück zu mir geführt - und mir gezeigt, wer ich wirklich bin.
Ja, manchmal kann es so einfach sein.
Wenn wir uns trauen, Dinge zu tun, die wir niemals tun würden.
Und die uns dann schnell zeigen, was wir nicht mehr bereit sind zu opfern.
Egal wofür. Egal für wen.
Denn dieses Leben.
Ist nur für dich.