Mit der Göttin sitzen
Da sitz ich nun. Wieder einmal. Vor dem Körper der Göttin.
Und lasse ihr Bild, ihren Klang, ihr Licht und ihr Spiel mit Licht auf mich wirken.
Ich versuche meinen Blick ganz weich zu lassen, damit meine Gedanken nichts an ihrem Körper greifen können, nichts in Kategorien und Konzepten eingehüllt verstehen wollen, nichts als vollendet in Wissen zu akzeptieren versuchen.
Das Leben, die Göttin und Avalon bleiben ein Mysterium.
Eine mystische Einweihung deren Sinn und Sinnhaftigkeit sich dem verstandesmäßigen Begreifen entziehen. Ihr Körper ist paradox, ihre Offenbarung niemals etwas, das wir wissen können.
Sie ertappt mich in dem Versuch mich an irgendetwas festzuhalten, mich daran zu orientieren, was ich weiß oder glaube wissen zu müssen. Jedes Mal, wenn ich illusorisch behaupte “ich verstehe”, offenbart sich ein tieferer Aspekt von ihr, ein tieferes Sinken zu mir, ein Fallen in das leer werden. Und dort tiefe Stille.
Auf die Göttin zu meditieren und mit ihr zu sitzen ist kein exotischer phantasiebetonter Traum - ausgemalt mit Farben, Formen, Geschichten, Zauberwesen und Juwelen. Es ist sehr real, so real, dass es der Verstand kaum aushält.
Den Körper der Göttin im eigenen Leben lebendig werden zu lassen, ist fernab von spiritueller Magie, ein Weg, der mich vollkommen auf die Realität meines Lebens zurückwirft. Und darin hat nichts Bestand, das sich schon beim kleinsten Rütteln wie eine Fata Morgana auflösen lässt.
Da sitz ich nun. Wieder einmal. Den Körper der Göttin betrachtend.
Ihre Offenbarung liegt nicht darin, dass ich versuche sie in Formen zu beschreiben, ihr Attribute gebe oder meine eigene Sinnlichkeit in ihrem roten Schleier erkenne.
Alle wollen sie den Göttinnen Weg gehen.
Das Wort der Göttin verkauft sich gut. Sehr sogar.
Ich weiß es aus eigener Erfahrung.
Das Bling Bling, das ihr Wort verspricht, verführt zu noch mehr Gedanken von “ich muss besser werden”, “anders sein”, “noch mehr an meiner Yoni rubbeln” und “das nächste Gebärmutteröl kaufen”.
So als wäre der Weg der Göttin etwas, das sich kaufen lässt.
In schönen Formen und noch geileren Produkten.
Um ja nicht der Realität ins Auge zu blicken. Von dem, was ist.
”Mit der Göttin zu gehen”, verspricht dir im Tanz von Traum und Illusion die beste Sexualität, den geilsten Typen, die teuersten Kleider und dazu eine Yoni, die voll in ihrer Pussy Power ist. Noch ein bisschen Magie darübergestreut und das stolze, trennende Gefühl der Königinnenmacht, das du dann hast, beherrscht die Welt.
Und du glaubst tatsächlich, dass du dich auf den Weg zur Göttin aufgemacht hast. Als selbsternannte Hohepriesterin. Weggesprengt in neuen Selbstbildern, die das Opfer in dir dazu gebracht hat, sich auf das Pferd einer falsch verstandenen Macht zu setzen und es zu reiten. Gegen das Patriachat versteht sich natürlich. Während du all das verkörperst, was du selbst im Patriachat bekämpfst.
Da sitz ich nun. Wieder einmal. Den Körper der Göttin betrachtend.
Und sie gibt mir weder Blumen, noch Parfums.
Vielmehr macht sie mir die Nebel bewusst, die immer noch meinen Geist umgeben.
Wirft mich mit einer Klarheit, die nur der Schnitt eines Schwertes bringen kann, auf alle meine Illusionen zurück. Und besonders auf jene, die ich über sie habe.
In ihrem Blick ist viel Güte, aber ohne den Versuch mich retten zu wollen.
Sie wiegt mich nicht in den Dauerschlaf meines Opfers, sondern schleudert mich ins eiskalte Wasser des Erkennens, wo ich tatsächlich stehe und nicht, wo ich gerne wäre.
Der Weg der Göttin ist nicht romantisch, obwohl alle dir das verkaufen wollen.
Und er hat auch nichts Verklärtes.
Er ist sehr klar.
Roh. Echt. Da.
Kein Links. Kein Rechts.
Keine Träumerei. Kein Wunschdenken.
Keine Vergangenheit. Keine Zukunft.
Sondern ein Da sein.
Als Mensch.
Ohne Labels.
Ohne spirituelle Namen, die deine Specialness betonen.
Ohne Zauberstäbe, die andere Welten brauchen, um sich zu spüren.
Ohne Wissen. Und deswegen ohne Macht.
Der Weg der Göttin ist unergründlich.
Und jeder Versuch sie aus dem Willen deines Egos jemals ganz erfahren zu wollen.
Ist zum Scheitern verdammt.
Etwas, was die wenigsten die angeblich mit der Göttin gehen wirklich verkörpern, ist Demut. Demut vor dem, dass du eigentlich nichts über sie weißt. Auch wenn du dein angebliches Wissen über sie verkaufst.
Demut.
Vor dem Mysterium, das die Göttin ewiglich ist.
Und vielleicht, wenn du Glück hast.
Und du bereit bist den Akt der Demut durch dich fliessen zu lassen.
Gewährt sie dir einen Blick hinter ihren Schleier.
Und du erkennst, wer sie wirklich ist.