Anatomie des Krieges

Im Tantra ist es sehr einfach. Das mit dem Krieg. Und auch das Verständnis darüber, wo und wie er entsteht. Meistens, nein ich würde sagen immer: Es ist ein Inside Job. 

Kampf entsteht immer dort, wo der Geist versucht an Konzepten festzuhalten, die dem Ego eine Art von Sicherheit geben. Scheinbar, zumindest. Da, wo Meinungen hart, unumstoßbar und mit einer unglaublichen Vehemenz vertreten werden. Da, wo das Ego sich auf etwas drauf setzen muss, weil es nur so überleben kann. Da, wo man unbedingt glaubt Recht haben zu müssen. Weil “das Recht haben müssen” die Illusionen des eigenen Glaubens nährt, mehr noch, der eigene Glauben von diesem inneren Egotrip genährt wird.

Krieg ist: Wenn der eigene Schmerzkörper zum Monster wird. 
Individuell und Kollektiv.
 

Krieg ist wenn Das Trennende die einzige Befriedigung im inneren Dialog darstellt und den Schmerz dadurch immer größer werden lässt. Denn der Schmerzkörper will solange von Gedanken und Gefühlen des Leidens genährt werden, bis er ausbricht. In Gewalt. Und solange erzählen wir uns die Geschichten, von denen wir glauben, dass sie wahr sind. Geschichten aus der Vergangenheit, gebaut aus Erlebnissen, die uns weh getan haben. Wir identifizieren uns mit diesem Schmerz und nähren unbewusst und in voller Kraft immer und immer wieder dieselben Mechanismen des Krieges. In uns. Und außerhalb von uns. Trennung von uns. Trennung von der Welt.

Bis sie sich erlösen. Um dann wieder von Neuem zu beginnen - immer und immer wieder. Wie eine Sucht. Und so wie eine Sucht kann uns der Krieg des Schmerzkörpers gefangen halten. Oft über viele Jahr hinweg, wenn wir nicht die Bewusstheit und die Achtsamkeit entwickeln, ihn zu beobachten. Aus einem höheren Bewusstsein heraus.

Manchmal fühlen wir uns nur dann ganz lebendig, wenn unsere Muster aus der Vergangenheit auf fruchtbaren Boden treffen, um wieder aufzuleben. Das formt unsere Identität. Da kennt sich das Ego aus. Dort beweisen wir uns selbst, dass es immer so sein wird, wie es immer schon war. Und dass es gar keinen Sinn macht, etwas zu verändern. Manche Menschen fühlen sich im Leiden wohler - denn das sind sie gewohnt.


Letztens schrieb ich einen Text für meinen Instagram Account. Und er fand viel Zuspruch. Und natürlich auch einige Gegenstimmen. Es ist meistens so, das man nicht jedermanns Geschmack treffen kann. Es ist immer wieder interessant, was Gegenstimmen mit uns machen. Und wie sehr sie uns triggern, tiefer zu schauen. Hundert Menschen können meinen Text lieben, doch mein Ego hängt sich energetisch an der einen Kritik fest und der Schmerzkörper aus der Vergangenheit beginnt zu wirken. Alte Sätze von “du bist nicht gut genug”, “du hast was falsch gemacht” du “hast die falsche Einstellung”, “du bist eine ungebildete Migrantin”. Schmerzkörper Geschichten full on.

An diesem Tag bekam ich ein paar ziemlich kriegerische emails von einer Frau, die aus einer bestimmten Formulierung in meinem Text ein ganzes Schlachtfeld inszenierte. Und in all diesen Vorwürfen, die sie mir entgegenbrachte, sah ich ganz deutlich. Es hat nichts mit mir und auch nichts mit meinem Text zu tun. Es ist interessant, was passiert, wenn man nicht in das Feld von Krieg einsteigt, weil man sich nicht positioniert, keine Partei ergreift, nicht für und dagegen ist. In den emails, die sie mir schrieb sah ich ihren Schmerz, ihre Trennung, ihren Hass, ihren quälenden Versuch die Angst durch Geschichten des Verstandes nicht fühlen zu müssen. Den Schatten aus Ahnenstimmen, die sich Gehör verschaffen wollten. Die Illusion des mit dem Zeigefinger zeigen - und meistens nicht auf andere, sondern nur auf sich selbst. Ich sah ihre Projektionen, das Monster Ego, das sich in Wut und Vorwürfen vor mir aufbauten und mich zum Kampf herausforderten. Mich in den Krieg ziehen wollten. Schlachtfeld. Im Email Verkehr. 

Und während ich ihre Zeilen las, begannen meine inneren Stimmen des Schmerzkörpers zu sprechen, mein eigenes verletztes Ego, meine Unsicherheit, die Frage: Hab ich etwas falsch gemacht. Das mich Hinterfragen mit Fragezeichen von *hab ich was übersehen*. Das Ding ist, ich hab meinen Text aus reiner Neutralität geschrieben - ohne Partei. Denn für mich gibt es in diesem aktuellen Krieg, der die Weltenbühne betreten hat, keine Partei. Krieg ist Krieg. Mörder sind Mörder. Da braucht es kein Adjektiv und auch keine Erklärungen oder intellektuellen Rechtfertigungen des Recht Habens.

Ich hätte auf ihre aggressive Energie, die in jedem Wort spürbar war, reagieren können. Es war verführerisch. Sehr sogar. Vor allem, als sie mich mit erhobenem Zeigefinger Esoterikerin beschimpfte und mir dadurch kritisches Denken absprach. Sich im selben Moment über Faschismus aufregte und mich gleichzeitig stigmatisierte. Ja, da wo das Ego harte Meinungen hat, ist es manchmal besser aus der Reaktion in das nach Innen sinken zu rutschen. Und sich zu fragen: Ist es wahr? Ist es wirklich wahr?

Ich hätte reagieren können. Vollgas aus dem Schmerzkörper. Vollgas in den Krieg. Ich spürte wie mein Verteidigungsmechanismus sich aufbaute und ich mich bereit machte in meiner Antwort Email an sie alles auszupacken, was ich parat hatte. An verletzenden Worten. Ich spürte wie Adrenalin durch meinen Körper schoß, der Schmerzkörper sich in Wikinger Rüstungen warf und ich mental bereits mein Schwert zückte. Und oh, wie verfüherisch es war. Den alten Mustern nachzugeben, das Leiden dabei einzuatmen und ein Kampflied auf das starke Ego ins Horn zu blasen.


Doch ich hielt inne. Ich atmete. Ich zähmte die Kriegsstimmung in mir. Ich kam zurück zu meinen Werten. Ich atmete. Ich hielt inne. Und entschied mich dazu, mit dieser unbekannten Frau aus dem email Verkehr nicht in den Krieg zu ziehen. Ich entschied mich dazu den Kampf Schmerzkörper gegen Schmerzkörper an diesem Morgen nicht auszutragen. Meine Abwehr nicht durch Attacke aufzubauen, sondern das Schild des Bewusstseins zu aktivieren.

Die Anatomie des Krieges fordert das Opfer der Illusion ein. Sie will das Ego sterben sehen. Wahrheit schmeckt ihr nicht. Krieg braucht zwei. Meistens zwei verletzte Egos. Um wirklich gut zu funktionieren. Krieg braucht Meinung, Partei, Politik, Trennung. Aus eins mach zwei. Ein altes Spiel der Menschheit, das ganz gut funktioniert. Seit Jahrtausenden. Krieg braucht Masochismus als Kick. Denn dort wo Krieg ist, ist Schmerz ein Elixier, um sich zu fühlen. 

Die Anatomie des Krieges ist sehr einfach. Wenn man sie durchblickt hat. Doch der Weg der Bewusstwerdung kann mitunter ein sehr langer sein. Ein Weg voller Leiden. Es braucht zwei Leidende um Krieg aufrechtzuerhalten.

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