Der Wien Vibe

Wie soll man über eine Stadt schreiben, in der man geboren ist. In der man aufgewachsen ist - so ungefiltert, das es vielleicht sogar ein Reisebericht für interessierte Besucher sein könnte. Objektiv. Ganz reduziert auf die Sehenswürdigkeiten. Und die heißen Insider Tipps.

Gar nicht - also versuche ich es auf meine Art.

Wovon lebt eine Stadt? Welche Geschichten erzählen ihre Menschen? Wieviel Geschichte liegt hinter den alten Mauern begraben, und was macht sie lebendig, vibrierend? Was ist ihr Spirit? Ihre Energie? Ihre ureigene Persönlichkeit? Sind es nur die alten Gebäude und jahrhundertealten Monumente - oder ist es viel mehr das, was in ihnen eingeschrieben ist? Verborgen liegt - in der Kultur, die sich seit Jahrhunderten entwickelt und stetig in Entwicklung ist.

Wien ist anders. Ja, definitiv anders als die meisten Hauptstädte Europas. Wien ist ruhiger, gechillter, einfacher, grüner, leiser. Als Portal zwischen West- und Osteuropa, liegt es genau in der Mitte von Europa. Es gibt diesen einen Treffpunkt im Bezirk Grinzing mit der beschrifteten Tafel: Hier liegt die Mitte Europas, das Herz der Welt - und so fühlt sich Wien auch an. In einer Zwischenwelt. Zwischen Westen und Osten, Norden und Süden. Himmel und Erde und all den vielen vergangenen historischen Ereignissen, die hier auf die Weltenbühne traten und ihr Schauspiel stark mitbestimmten. Meistens ziemlich dramatisch.

Wien ist klein - im Gegensatz zu anderen europäischen Städten. Fast unbedeutend scheint es manchmal. Die Menschen hier leben ganz ohne die sonst so wahrnehmbare Großstadtmanier “wir sind etwas Besseres”, die in manchen westlicheren Städten Europas wirkt. Obwohl die Wiener sich schon besonders fühlen, in ihrem wienerischen Sein und deswegen selten einen Wert darauf legen, was andere über sie sagen.

In Wien sind alle wichtig, aber nichts ist wichtiger als der eigene Seelenfrieden, um den man sich in der Freudschen und Jungschen Stadt fühlbar ewig kümmert. Es ist ein Ort, der tief führt. Und tiefer fühlt, statt oberflächlich zu kreisen. Hier lernt man gut mit sich selbst klar zu kommen, wenn man den Tiefgang durch die eigenen Unterwelten gegangen ist und als Krönung einen Klimt Goldüberzug bekommt. Wenn man es in Wien schafft, schafft man es überall, so ein bekannter Spruch. Quelle Anonym. Wien bildet sich wenig ein auf all die großen Denker und Schöpfer, die diese Stadt hervorgebracht hat, was uns im Vergleich zu unserem Nachbars Nachbarn Frankreich nicht so hochnäsig erscheinen lässt, obwohl wir manchmal gerne die Nase rümpfen, wenn etwas zu aufgesetzt daherkommt.

Wir sind cool, aber nicht zu cool.
Wir sind sexy, bilden uns aber nicht so viel drauf ein.
Bei uns gibt es die schönsten Frauen, dank der Migration. Aber wir prahlen nicht damit. Einige der schönsten Gebäude Europas säumen die Stadt, aber wir bauen unseren nationalen Stolz nicht zu sehr drauf auf. Sie sind einfach da, genau so wie es der Kaiser einmal war. Wir sind talentiert, aber laufen dem Erfolg nicht nach. Und versuchen ihn auch nicht festzuhalten. Wir brauchen selten den großen Hollywood Applaus, wenn tiefe philosophische Denker aus unserer Stadt hervorgehen. Oder besonders intelligente Erfindungen. Nichts ist drüber, gepimpt, künstlich aufgeblasen oder überheblich verzerrt. Alles bleibt relativ bodennahe, gegrounded. Wienerisch halt.


Wien tickt zwischen Ost und West genau in der Mitte - zwischen Kapitalismus und einer Gemütlichkeit, die als Überbleibsel des ehemals kommunistischen Ostens über die Grenzen schwappt. Es ist edel, aber nicht prätentiös. Prunkbälle in Prunkschlössern aber ohne die Vibe, die mit manch neureichen Sprösslingen daherkommt. Aus Wien will man immer weg, bis man ab 40 immer wieder zurückkommt - weil das Leben hier, doch international und statistisch betrachtet, die beste Lebensqualität hat. Sauberes Trinkwasser viel Grün, wenig Kriminalität, gutes Sozialsystem. Das sind Dinge, auch wenn es für manche ganz komisch klingt, die wichtig sind. Ab 40.

Nirgendwo auf der Welt stehen Gemeindebauten im selben Viertel neben Villen, fetten Eigentumswohnungen und historischen Gebäuden, deren Immobilienwert unbezahlbar ist. Alle sozialen Schichten mischen sich, es gibt wenig Ghettos - und das hebt die Idee des Sozialismus in ein neues Gewand.

Modernität schmückt Barockes. Und der Wiener Kaffee, der in seinem oft zu bitteren Geschmack zwar mit keinem italienischen Espresso zu vergleichen ist (obwohl es die auch bei uns gibt) aber von dem es dafür in manchen Kaffeehäusern stolze zwanzig Sorten gibt, bleibt. Er bleibt genauso wie das Gefühl, dass in Wien die Zeit anders läuft, alles hier etwas länger braucht als im modernen Westen, und Sissi ihr Volk aus den Nebeln der Anderswelt immer noch daran erinnert, wie schön Tradition zwischen Jugendstil und Sachertorte sein kann. Dazwischen ein paar geile Klubs, reichhaltige Gastro Schmankerln und saubere Strassen, auf denen man durchaus auch übernachten könnte, wenn man müsste.

Trotz seiner kleinen Größe ist Wien ein Ort aus dem viele große Grössen hervorgegangen sind und durch ihre Genialität die Welt erobert haben. Mozart kennt jeder. Klimt ist einer der teuersten gehandelten Künstler. Sissi erobert die Herzen aller Romantiker dieser Welt. Es ist erstaunlich, wie manchmal kleine Dinge eine große Wirkung haben. Wie man ohne viel zu Wollen, trotzdem alles haben kann. Und wie wunderbar einfach und schön es sein kann, Eleganz mit Gemütlichkeit zu verbinden.

Die Wien Vibe. Alles da, alles drin. Alles im Rhythmus der Zeit.
Hälst du Wien, was du versprichst.
Und überdauerst in deinen Mauern, den Wandel von Allem.
Mit deiner unverrückbaren Gmiatlichkeit. Und, um es in den Worten eines großen Künstlers auszudrücken:

Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles fünfzig Jahre später.
―Gustav Mahler

Auf dich Wien Vibe!
Ich lieb dich.

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