Die Barke

Ich liebe es mit Booten und Schiffen auf dem Wasser zu fahren. Es ist das Gefühl von Weite, Freiheit. Ohne Land in Sicht. Das Gefühl, dass alles möglich ist, wenn ich mich in den unendlichen Horizont ausdehnen kann, dort wo die Wasseroberfläche den Himmel berührt.

Es ist, als würde ich mich selbst vergessen. So als hätte das Ufer alles von mir behalten, was ich glaube zu sein. So als wäre ein Teil von Nives an Land geblieben, und so als hätte ich nur das an Bord mitgenommen, was ich wirklich bin.  Ich liebe das Schaukeln der Wellen, die mich im ewig gleichen Rhythmus in tiefe Entspannung wiegen. Die Verbindung von Wasser und Luft. Die Tiefe, die sich in beiden Elementen unendlich ausdehnt, grenzenlos. Kein Land in Sicht. 

Oft spüre ich meine Ahnen, wenn ich auf Booten oder Schiffen unterwegs bin. Mein Großvater, der Matrose war, damals in den 1950er, und zwischen Venedig und Rijeka seinen Dienst leistete. Es ist diese Freiheit, die man hat, wenn man auf Wasser ist - keine Verpflichtungen, keine Aufgaben, keine engen Räume, die definieren, was du bist und nicht sein kannst. 

Es ist das Gefühl von Abenteuer, denn du weißt nie, was die See bringt. Oder wohin sie dich trägt. Und es ist dieses tiefe pure Vertrauen, das entstehen muss, wenn du deinen Körper von einem anderen Körper tragen lässt - auf einer Oberfläche, die aus Wasser ist, und wo du dich immer wieder darüber wunderst, wie es dich und das Boot trägt, tragen kann. Ein Wunder der menschlichen Innovation. 

Im avalonischen Zyklus des Heilungsweges spielt die Barke eine essentielle Rolle. Sie trägt jene, die nach Avalon reisen wollen über das Wasser. Durch die Nebel hindurch. Wasser als Seelenbild des Unbewussten ist jenes Element, das uns tief hinab zu unseren Träumen, Illusionen und Sehnsüchten führen kann. Wasser ist genauso wie das zweite Chakra eines der geheimnisvollsten Elemente im Tantra Yoga. Denn du weißt nie, wie tief es nach unten geht, und was da unten so lauert. Wasser ist in seiner Polarität weiblich und hat die Fähigkeit tiefe Heilung auf der Ebene des Körpers in uns zu bewirken. Wir wiegen und bewegen das Wasser in uns, wenn wir unser Becken kreisen. Rühren in dem Kessel, dem Gral von Cerdiwen, jener großen Göttin im keltischen Pantheon, die die Hüterin der Kräuter, der Fruchtbarkeit und der ewigen Zyklen des Lebens ist. 

So lassen wir uns im Leben manchmal auf der Barke herumtreiben. Durch die Gewässer unserer Sehnsüchte und auch Illusionen. Es ist schön, verträumt, genussvoll, entspannend. Einfach mal nur im Wasser zu sein. Tief nach Innen zu blicken und wie ein Fisch im kühlen Nass zu schauen, was die Wellen des Unbewussten hochspülen wollen. 

Es ist der Abstieg. Das Besteigen der Barke nach Avalon ist der Abstieg in die unbewussten Ebenen unseres Seins. Dabei trägt die Barke uns in ihrem schützenden Raum und gibt uns Zeit für Ruhe und Innenschau. 

Manche Menschen wollen ewig in diesem Zustand bleiben. Sie lieben die Illusion. Es ist gemütlich im Wasser. Denn es braucht den Willen das Wasser ins Feuer zu erheben, um aus dem Unbewussten ins Licht zu treten. Oft tauchen wir sehr lange in unsere Träume unter, schwimmen und bleiben gefangen in Genüssen, Sehnsüchten, den illusorischen Welten unserer Selbstbilder und wollen nicht aufstehen, um das Feuer zu entzünden, das der nächste Schritt im Aufstieg wäre. 

Das Unbewusste bewusst zu machen. Aus der liegenden Position in der Barke aufzustehen und mit einer klaren Entscheidung zu wählen, dass es in unserer Kraft liegt, die Nebel zu lüften und Avalon zu finden. 

Im Tantra ist es der Aufstieg vom zweiten Chakra ins dritte des Feuers, um dann von unten nach oben im Herzen anzukommen. Hier ist Avalon zu Hause, hier ist unser Ausdruck als Mensch zu Hause. 

In den letzten Jahren wurde das Thema Wasser, Gebärmutterarbeit, weibliche Sexualität und Fruchtbarkeit ein sehr populäres Thema in der spirituellen Szene. Manchmal kommt es mir so vor, als ginge es nur mehr um Genuss, Sex, Yoni Kraft und Gebärmutter Power. Viele Frauen holen sich ihre Selbstermächtigung durch die Identifikation mit ihrer Yoni Power aus den Trümmern des Patriarchats zurück und ihr Frauenbild kreist nur mehr um Genuss, Verführung, Sex und Ekstase. 

Doch es ist ein gefährlicher Pfad hier stehenzubleiben. Wir können ewig gefangen bleiben, liegend auf der Barke und dabei alle Programme des Opfers, der sexuellen Manipulation und des ewigen Kreisens um Schuld weiterspinnen. Und dabei nie wirklich im Herzen landen. Uns hier selbst gefangen halten und nie ganz in ein wahres Empowerment kommen. Das weniger zu tun hat damit, welches Yoniöl ich gerade verwende und ob ich mich in den nächsten Orgasmus atmen kann.

Die Barke, die dich nach Avalon führt ist nur eine Zwischenstation.
Ja, du kannst hier heilen. Deine Geschichten im Wasserfilter betrachten, während du durch die dunkle Nacht deiner Seele reist. Sexuelle Energie hier bewegen und dich im Trauma deiner verletzten Weiblichkeit sulen. Doch, wenn du nicht bereit bist, aufzustehen. Und das Feuer deines Willens einzusetzen, um die Illusionen zu durchtrennen und die Nebel zu lüften, wirst du ewig um die heilige Insel Avalon segeln und sie niemals erblicken. 

Es ist gut zu wissen, welche Geschichten, dich geprägt haben.
Es ist wichtig zu verstehen, wieso du dich als Frau so fühlst, wie du dich fühlst. Es braucht Zeiten, ganz alleine mit deinen Sehnsüchten zu sein, während die Barke dich in den Schlaf wiegt. 

Doch spirituelle Entwicklung erhebt dich aus dem Wasser.
Lässt dich aufstehen, auf der Barke.
Und trägt dich in einem Akt des Feuers nach Avalon. 

Es ist deine Entscheidung.
Doch irgendwann kommt der Moment, wo die Barke dich ans Ziel der heiligen Insel führen will. 

Und dann musst du aufstehen.
Um die Nebel zu lüften.
Und dich aus dem Unbewussten ins Bewusstsein zu erheben. 

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Im Frauenkreis verloren