Im Frauenkreis verloren
In den letzten Jahren ist es in der spirituellen Szene sehr modern geworden, alle weiblichen Wunden, die vom Patriarchat verursacht wurden, zu “heilen”. Sie zu benennen, tief in sie hinabzusinken, sie zu analysieren und dabei hochkommende seit Ahnengenerationen triefende Emotionen wie ein Schwert zu erheben und auf “den weißen Mann” zu richten. Auf dieses eine Feindbild, das für alles schuldig gemacht wird - all den Schmerz, die Trauer, die Wut, die Rache und Vergeltung. Täter und Opfer. Perfekt inszeniert auf der Weltenbühne. Heilbar in spirituellen Kreisen - so glaubt Frau.
Da saßen sie also. All die verwundeten Töchter des Patriarchats.
In diesen unzähligen Frauenkreisen, die ich über die letzten fünf Jahre leiten durfte.
Ich war damals überzeugt davon, dass ich mich auf das Pferd der Kriegerin aufschwingen musste, um diese Frauen zu retten, zu heilen, zu erheben. Und sie kamen. In Scharren. Während mein ganzer Hass der katholischen Kirche galt und all den Männern in meinem Leben, die mir weh getan hatten. Allen voran meinem Vater.
Energetisch gespeist wurde diese in mir treibende Kraft von karmischen Erinnerungen, aus all den Leben, wo das Patriarchat mich zerstört hatte. Aus Leben, wo ich nicht die sein durfte, die ich war. Sondern mich fügen musste. Der Gesellschaft, der Religion, der Politik. Gefangen im Korsett von sozialen Normen und Werten, die dem Bewusstsein der jeweiligen Zeitepoche entsprangen, und denen man damals weniger als heute entrinnen konnte.
Über viele Jahre rann ich unbewusst und blind vor Wut, Vergeltung und Rache von Frauenseminar zu Frauenseminar, unterrichtete selbst und wurde unterrichtet. In jedem von ihnen fand ich immer wieder Bestätigung für meinen Schmerz. Meine Geschichte fügte sich wie ein Puzzle zusammen und ich dachte, ich hätte erkannt, worum es wirklich geht. Doch das Leben bewies mir immer und immer wieder, dass all das eine große Illusion war.
Zunächst war meine Mission “Frauen zu retten” noch stark geprägt von dem tief in mir gärenden und für wahr empfundenen Glaubenssatz: Frauen sind Opfer. Und sie müssen endlich aufwachen und ihre Kraft erkennen, dann wird die Welt endlich frei sein. Ich dachte, ich kämpfe für das Gute. Während der Schatten in mir im Kampf gegen das Männliche zu einem überdimensionalen Dämon heranwuchs, und sich begann in meinem Leben zu manifestieren. In Beziehungen, Situationen und Szenen, die sich heute wie Bilder aus einem Film in mir abspielen.
Ich wünschte mir so sehr Frieden und war für den Krieg.
Ich wollte Liebe, aber der Ruf nach Rache war lauter.
Ich sehnte mich so sehr nach einem Mann und alles in meinem Leben war dagegen.
Ich wollte Einheit, doch da war nur Trennung.
Und dann erwischte die Pandemie die Welt.
COVID war da. Und das Schicksalsrad hörte für einen Moment auf, sich zu drehen.
Als es in Europa zum panischen Ausbruch kam, die Menschen in den Lock Down gingen und Angst sich ausbreitete, saß ich in meinem letzten Yoga Teacher Training als Lehrerin in einem Frauenkreis. Ich war krank (wahrscheinlich COVID, Tests gab es damals noch keine). Auf drei balinesischen Antibiotika zugedrönt, versuchte ich etwas zu unterrichten, von dem ich schon längst spürte, dass es zu Ende ging. Meine Geschäftspartnerin hatte mir während dieses Trainings mit Lügen und Intrigen ein Messer in den Rücken gerammt, manche Frauen im Kreis wollten mich von meinem Thron stürzen und meinen Platz einnehmen, während sie neidig von mir lernten, um selbst davon zu profitieren. Es war so viel Missgunst, Falschheit, Vergleich, Machtmissbrauch und Trennung zu spüren, dass ich es kaum aushielt. Die weinenden Opfer waren zu ausgeklügelten Tätern geworden. Der Dämon im mir wurde zum Kampf herausgefordert. Der Schatten in mir zeigte sich in all den Gesichtern dieser Frauen. All das, woran ich in meinem idealisierten Frauenbild geglaubt hatte, zerbrach wie eine verzauberte Porzellanvase auf dem hartem Boden der Realität.
Es hatte sich zugespitzt.
All die Jahre an Arbeit im Frauenkreis.
Waren zu einem Ende gekommen.
Der Dämon war befreit.
Karma erlöst.
Dharma vollendet.
Meine letzten Worte in diesem Frauenkreis waren hart, wütend, direkt. Ein Schwert genau durch die Mitte. “Wenn das ein Frauenkreis sein soll, möchte ich nie wieder in einem sitzen.” Daran kann ich mich noch erinnern, und auch daran, dass einige Teilnehmerinnen sich von kommenden Trainings bei mir nach diesem Talk wieder abgemeldet hatten. Ich war zu einer Furie geworden, als ich erkannte, wie tief der Schatten in der spirituellen Frauenszene ist, und wie gekonnt er damit verhüllt wird, das Feindbild Patriachart im Außen zu bekämpfen anstatt im Inneren zu betrachten.
Dieser Frauenkreis war zu meinem Spiegel geworden. Einige Tage später rasierte ich meine langen Haare ab, opferte sie dem Vollmond im Meer, hörte Sinéad O'Connors “Fire on Babylon” im Dauerloop und weinte tagelang in den fruchtbaren Gärten Balis. Eine Ära war für mich zu Ende gegangen - der Kampf verloren, das Schwert zerbrochen. Ich auf der ausgebrannten Erde gescheitert.
In den kommenden Jahren der COVID Pandemie zog ich mich zurück. Unterrichtete nur mehr online. Und hatte viel Zeit, um mein Aufbäumen gegen all das, was das Patriarchat in mir auslöste, zu betrachten. Als in Österreich die Impfpflicht ausgerufen wurde, war ich am Boden zerstört, weil ich mich in meinem Recht, das mit meinem Körper tun zu können, was ich wollte, hintergangen fühlte. Niemand und schon gar nicht die weißen Männer in ihren Ärztekitteln durften darüber entscheiden, was mit meinem weiblichen Körper zu geschehen hat. In der Spritze sah ich ein bedrohliches phallisches Symbol, im Staat den absoluten Feind. Auch da lagerte ich mein Feindbild immer noch nach Außen, solange bis kein Widerstand mehr möglich war.
Also wurde ich weich. Nicht durch Aufgabe, sondern Hingabe.
Ich war des Kampfes müde geworden.
Mein weibliches Selbstbild zebröselte täglich mehr.
Ich wusste nicht mehr, wer ich war.
Worin der Sinn meiner Arbeit besteht.
Was mein Dharma ist.
Ich glaub, ich bin immer noch in dem Prozess mich zu finden.
Der Dämon ist erlöst.
Das Neue offenbart sich.
Das Weibliche ist geblieben, aber anders.
Die Frauenarbeit ist vollendet.
Ich hab immer noch Gebärmutteröle, aber ich meditiere viel lieber.
Meine Wohnung ist voll mit Marienbildern, aber ich rede mit Gott.
Meine Beziehungen zu Männern sind immer noch herausfordernd, aber ich kämpfe nicht mehr.
In Frauenkreisen sitzen, will ich nie wieder in der Art, wie ich es gemacht habe.
Diese Szene ist kein Ort mehr, wo ich glaube etwas finden zu können.
Viel lieber sitze ich in Menschenkreisen.
Wo wir mit Gott und Göttin atmen.
Lernen wie Mensch sein ohne Krieg geht.
Ich habe mich in den Frauenkreisen verloren.
Und nachdem ich sie bewusst zerschlagen hatte, konnte ich etwas finden, das meine Heilung war. Ich glaube, jeder hat seinen Weg, den er gehen muss. Alles ist mit allem verbunden. Ich weiß nicht, ob es mein Dharma war, all das zu tun, um Karma aufzulösen. Habe ich mich geirrt? Hätte ich es anders machen sollen? Hab ich Schuld?
Ich glaube, das Leben hat immer Recht.
Deswegen sind die Dinge auch so gekommen, wie sie gekommen sind.
Wie es jetzt weitergeht?
Ich weiß es nicht.
Weil das Wollen nicht mehr aus meinem Ego und all seinen Wunden kommt.
Und ich glaube. Das ist der Beginn.
Von wahrer Bestimmung.